Rückblick

Aktion MASSenmail – ein Erfahrungsbericht

Velo-Reservationspflicht bei den SBB

Was haben wir bisher erreicht?

  • Über 3500 Menschen haben eine Beschwerdemail an die SBB gesendet und sich mit dem Thema auseinandergesetzt.
  • Die geplante Velo-Reservationspflicht ist öffentlich thematisiert worden, zuerst in der Deutschschweiz und dank uns auch in der Westschweiz (siehe Medienspiegel).
  • Wir haben den Organisationen, die mit den SBB verhandelt haben, den Rücken gestärkt und ein Entgegenkommen der SBB bewirkt. Die Auseinandersetzung mit den SBB haben zu einer Petition geführt.

Was wollen wir erreichen?

Wie kam es zur Aktion MASSenmail?

Am 19. November 2020 erscheint in der Neuen Zürcher Zeitung der Artikel «Die SBB führen eine Reservationspflicht für den Veloverlad im Fernverkehr ein». Es wird berichtet, dass ab März 2021 in allen Intercity-Zügen der SBB eine Reservationspflicht für Velos gilt. Tags darauf folgt im Tages-Anzeiger der Artikel «Wer das Velo in den Zug nimmt, muss kostenpflichtig reservieren». Letzterer schafft es in die Runde der kritischen Einzelteile der Critical Mass, stösst eine rege Diskussion an und ruft Verständnis, aber vor allem Empörung hervor. Matteo reagiert mit folgender Nachricht:

«Lasst uns dazu eine Aktion machen! Wer mitmachen möchte → bitte schreib mir. Das wird lustig!»

Ich sage zu. Zwar habe ich noch nie eine solche Aktion gemacht. Doch zusammen starten Matteo und ich die Aktion MASSenmail an die SBB. Und es wird wirklich lustig!

Zuerst steht eine Petition zur Debatte. Nach einem Telefonat kommen wir schnell davon ab und einigen uns auf eine Massenmail-Aktion. Die Strategie ist einfach: Wir versenden eine Mobilisationsnachricht an viele kritische Einzelteile mit einem Link. Auf der Webseite lässt sich mit einem Klick eine Beschwerdemail erstellen. Empfänger*innen sind die SBB, ihr neuer Chef Vincent Ducrot; ins CC genommen werden die beiden Journalisten der NZZ und des Tages-Anzeigers, die über das Vorhaben der SBB berichtet haben sowie einige Organisationen, die sich für Velo- oder nachhaltigen Verkehr einsetzen. Dann wird die Mail verschickt.

Am 23. November, nach etlichen Nachrichten, Telefonaten und E-Mails hin und her, steht die Webseite mit dem MASSenmail-Generator, die Mobilisationsnachricht ist perfektioniert und gestalterisch ausgearbeitet. Matteo verschickt ein Probemail, es funktioniert! Ich versende um 10.54 Uhr die Mobinachricht in möglichst viele Chats. Um 11.07 Uhr versende ich meine eigene MASSenmail.

Verschnaufpause. Wir haben alles, was wir wollen, oder? Natürlich nicht!

Wir bringen unsere Aktion in die Westschweiz!

Ich bekomme um 14.07 Uhr eine Anfrage von Tim, einem französischsprachigen kritischen Einzelteil:

«Auriez vous comme projet de rajouter une version française, […] pour que le message puisse être porté plus largement encore ? J'aide volontier en ce sens dans la mesure de mes capacité si vous le souhaitez !»

Nein, wir haben keine französischsprachige Version geplant. Aber wir nehmen die Herausforderung gerne an. Die Aktion kritisches MASSenmail gegen Reservationspflicht für Velos bekommt den zweiten Namen Envoi de mails MASSIF aux CFF contre la réservation obligatoire pour les vélos dans leurs trains. Tim, Géraud und Marie helfen uns beim Übersetzen.

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Währenddessen überwältigen uns die Reaktionen:
23. November 2020, 14.20 Uhr: 94 CC-Mails erhalten
23. November 2020, 18.25 Uhr: 232
24. November 2020, 09.06 Uhr: 471

Bereits am 24. November, um 15.55 Uhr folgt die Antwort der SBB auf meine MASSenmail.

Kurz vor sechs Uhr abends ist die Westschweizer Mail bereit, die deutschsprachige Webseite übersetzt und die Mobinachricht geschrieben. Nun kann Teil zwei des MASSenmails gestartet werden, der Envoi de mails MASSIF. Zu dem Zeitpunkt haben wir bereits über 700 Mails als Kopie erhalten.

Am Morgen des 25. Novembers, um 10.17 Uhr sind wir bereits bei 1182 versendeten Mails. Valentina übersetzt uns die Mobinachricht von französisch auf italienisch: Leider scheitern wir bei der italienischsprachigen Version aus Zeitgründen mit dem Übersetzen des MASSenmails.

Doch es geht weiter; bis am Abend sind bereits über 1600 Mails eingegangen, am nächsten Morgen 1824 Mails, davon 170 in französischer Sprache.

Matteo hat die Idee einer Dankesmail, womit wir alle Menschen, die an unserer Aktion teilgenommen haben, auf das Engagement der Vélorution aufmerksam machen wollen und unser weiteres Vorgehen vorstellen. In den folgenden Tagen sind wir wieder damit beschäftigt Mails zu schreiben und die Webseite zu aktualisieren. Und die Zahlen steigen weiter:

26. November 2020, 16.03 Uhr: 2000
27. November 2020, 09.21 Uhr: 2120
30. November 2020, 09.07 Uhr: 2422
11. Dezember 2020, 13.17 Uhr: 3500

Verschiedene Velo-Organisationen suchen mit den SBB das Gespräch. Da die neuen Regeln mehr Einschränkungen ergeben, viele Fragen nicht geklärt werden und dies ein Schritt in die falsche Richtung ist, wird am 26. Februar 2021 von der Vélorution und zwölf weiteren Organisationen die Petition für eine bessere Kombination Velo Zug lanciert.

Wir danken Tim, Géraud, Marie und Valentina fürs Übersetzen! Wir danken allen Menschen, die etwas zur Aktion beigetragen haben; die geholfen haben, die Aktion unter die Leute zu bringen, die die Webseite bearbeitet haben, die uns persönliche Rückmeldungen von den SBB zugeschickt haben und natürlich allen, die an der Aktion teilgenommen und mit den SBB diskutiert haben!

Mein persönlicher Dank geht an Matteo. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen und hätte keine Aktion gestartet. Ich habe superviel gelernt und freue mich bereits auf neue Abenteuer.

Velo-aktivistische Grüsse,

Moritz

Beschwerde gegen Reservationspflicht für Velos

Liebe SBB

Letzte Woche wurde bekannt, dass ab dem 21. März 2021 eine Reservationspflicht für Velos in Zügen gilt. Bereits bisher ist die Reise mit dem Velo im Zug kompliziert gewesen. Mit der neuen Regelung wird sie noch schwieriger und teurer.

Das Velo und der Zug sind ökologische Verkehrsmittel, die sich ideal ergänzen. Die Kombination Velo-Zug ermöglicht ein optimales Reisen über grosse Strecken. Gleichzeitig ist der Anschluss vom Bahnhof zum Ziel flexibel gewährleistet, beispielsweise bis zum Arbeitsort oder Ausflugsziel. Viele Velofahrer*innen benutzen den Zug mit Velo täglich, auch weil sie am Zielort auf ihr Velo angewiesen sind. Etliche würden mit der Reservationspflicht auf das Auto umsteigen, erst recht, wenn jede Fahrt nebst dem Velobillett fünf Franken zusätzlich kostet.

Mit einem attraktiven Angebot für Velofahrer*innen lassen sich viele Menschen zum Zugfahren bewegen. Ich wünsche mir, dass die SBB mit Velofahrer*innen an einen Tisch sitzt und die Kombination Velo-Zug fördert.

Freundliche Grüsse

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Antwort der SBB auf meine Beschwerdemail

Sehr geehrter Herr XXX

Herzlichen Dank für Ihre offenen Worte zu unseren Plänen beim Veloselbstverlad.

Sie sind gerne mit Ihrem Velo im Zug unterwegs, das freut uns. Der Veloselbstverlad im öffentlichen Verkehr liegt uns genauso am Herzen wie Ihnen. Unser Ziel ist es, die Zuverlässigkeit zu erhöhen, weshalb wir künftig neue Wege «fahren». Gerne antworten wir Ihnen und anderen Kritikern der Reservationspflicht einheitlich und zeigen unsere Überlegungen auf.

Wir möchten bezüglich des Angebots Klarheit schaffen. Deshalb haben wir kurz- und längerfristige Massnahmen getroffen, um dies einfacher & kundenfreundlicher zu gestalten sowie die Kommunikation zu verbessern.

Die hohen Spitzenfrequenzen beim Veloselbstverlad fordern uns stetig. Zur verbesserten Auslastung des Angebotes von Stellplätzen für den Veloselbstverlad führen wir ab Frühling 2021 auf allen IC/EC-Linien die Reservationspflicht ein. Damit möchten wir an Spitzentagen überfüllte Züge vermeiden und die Velomitnahme sicherstellen. Dank dieser Reservation haben Sie eine Wagen- und Platznummer und finden Ihren Veloplatz schneller. Mit der Einführung prüfen wir auch die Preisgestaltungen des Angebots. Die Reservationspflicht gilt bereits heute während der Velosaison auf einigen Fernverkehrslinien – zum Beispiel am Jurasüdfuss und auf der Nord-Süd-Achse am Gotthard. Eine Buchung kann bis kurz vor Abfahrt auf der SBB Mobile App getätigt werden. Zudem wird die SBB auf den wichtigsten Verbindungen zusätzliche Veloplätze schaffen. An Spitzentagen möchten wir in Zukunft die Kapazitäten für den Veloselbstverlad teilweise verdreifachen.

Die Perspektive der Kundinnen und Kunden sowie die gesamte Reisekette stehen bei der Neugestaltung des Angebotes «Reisen mit Velo» im Vordergrund. Der Langsamverkehr und die kombinierte Mobilität sind und bleiben für unsere Fahrgäste wichtige Anliegen, dessen sind wir uns bewusst. Mit den bestehenden Angeboten, Velo am Bahnhof und im Zug, der kombinierten Mobilität wie Mietvelo und dem Veloversand bauen wir zudem stetig weiter aus.

Ihre Einschätzung und Kritik lassen wir unseren Verantwortlichen gerne zukommen. So kennen auch diese den Original-Ton unserer Kundinnen und Kunden.

Wir freuen uns, wenn wir Sie weiterhin – mit oder ohne Velo in unseren Zügen begrüssen dürfen.

Freundliche Grüsse

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In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass Faltvelos neu ohne Verpackung kostenlos transportiert werden können. Dies ist bereits so gewesen und keine Neuerung, weshalb wir den Satz gestrichen haben. Zudem haben wir die Aufzählung der Veloplatz-reservationspflichtigen Züge ergänzt und je Linie den Zeitraum der Reservationspflicht angegeben.

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